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Aufbau und Inhalt eines individuellen Arbeitszeugnisses

Das Zeugnis sollte Folgendes beinhalten (was nicht in Klammer gesetzt ist, ist zwingend):

 

  • (Kurzbeschrieb des Unternehmens)
  • Vorname und Name
  • Geburtsdatum
  • Heimatort
  • Vertragsbeginn und –ende
  • Arbeitsort
  • Funktion / biografischer Werdegang
  • Beschäftigungsgrad
  • Tätigkeit
  • Beurteilung von Leistung und Verhalten
  • (Schluss und ev. Dank)
  • Datum
  • Rechtsgültige Unterschrift/en

Kurzbeschrieb des Unternehmens

Drei bis vier Sätze genügen, z.B. so:

 

«Unsere Praxis im Zentrum von Bern ist spezialisiert auf Herz- und Rückenleiden. Unser Team von 20 Mitarbeitenden versorgt während 6 Tagen pro Woche Langzeitpatienten wie auch medizinische Notfälle. Wir bieten zudem Ergonomie-, Stress- und Ernährungskurse an.»

 

Dieser Teil des Arbeitszeugnisses ist nicht zwingend. Lässt du ihn aus, verpasst du eine Chance, gratis Werbung zu machen. Der Zeugnisleser kann zudem nicht beurteilen, ob es Parallelen zu deiner und seiner Unternehmung gibt.

 

Personalien und Funktion

«Frau XY, geboren am XY, heimatberechtigt in XY, war vom XY bis am XY als Medizinische Praxisassistentin mit einem Beschäftigungsgrad von XY in unserer Praxis in Bern angestellt.»

 

Falls die Mitarbeiterin während der Anstellungszeit die Funktion gewechselt hat, könnte der Abschnitt so tönen:

 

«Frau XY, geboren am XY, heimatberechtigt in XY, war vom XY bis am XY in unserer Praxis in Bern angestellt. Sie trat als Medizinische Praxisassistentin mit einem Beschäftigungsgrad von XY in unser Unternehmen ein. Per XY reduzierte sie ihren Beschäftigungsgrad auf XY und seit dem XY war sie

als Medizinische Praxisassistentin und Sachbearbeiterin Rechnungswesen für uns tätig.»

 

Tätigkeit

Die Aufgaben von Frau XY als Medizinische Praxisassistentin umfassten im Wesentlichen:

Administration

  • Sprechstundenorganisation (Software Variosoft)
  • Empfang und Auskunft
  • Telefontriage
  • Schreiben von Überweisungen, Versicherungsberichten und Zeugnissen ab Diktat
  • Rechnungsstellung für Ärzte und Therapeuten (Software Saphir)
  • Bestellwesen Praxisapotheke

Sprechstundenassistenz

  • EKG
  • 24-Stunden Blutdruckmessung
  • Überwachung von Kurzinfusionen
  • Assistenz bei kleinen Eingriffen und Wundversorgung

Labor

  • Blutentnahme
  • Hämatologie
  • Elektrolyt- und Quickbestimmungen
  • Blutdruck- und Pulskontrollen

Röntgen

  • Thorax- und Wirbelsäuleaufnahmen

 

Ab dem XY erledigte Frau XY als Sachbearbeiterin Rechnungswesen zusätzlich folgende Aufgaben:

  • Überwachung und Verbuchung der Zahlungseingänge
  • Mahnwesen
  • Kreditorenzahlungen
  • MwSt-Abrechnungen

Beurteilung von Leistung und Verhalten

Jetzt folgt der schwierigere Teil.

So oder ähnlich tönt eine sehr gute Beurteilung meistens:

«Frau XY eignete sich ein umfassendes und die in die Tiefe gehendes Fachwissen an. Sie beherrschte ihr Fachgebiet ausgezeichnet und interessierte sich auch für andere Gebiete. Sie setzte ihre Fachkenntnisse vorbildlich um und fand sich auch in neuen Aufgabenstellungen mit

bemerkenswerter Leichtigkeit zurecht. Sie war ausserordentlich lernfreudig und erwarb sich aus eigenem Antrieb und mühelos zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Dank ihrer raschen Auffassungsgabe und Umsicht koordinierte sie Teilaufgaben rationell und systematisch mit dem

Blick fürs Ganze und konnte verschiedene Arbeitsschritte perfekt aufeinander abstimmen.

 

Durch grösste Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erzielte Frau XY eine herausragende Arbeitsqualität und die Termine wurden oft unterschritten. Der Arbeitsaufwand und die Arbeitsergebnisse waren perfekt aufeinander abgestimmt und die Vorgaben wurden oft übertroffen. Für alle Probleme im

eigenen Aufgabenbereich fand sie selbstständig überzeugende Lösungen. Durch ihren ausgeprägten Sinn für fachliche Zusammenhänge hatte sie viele eigene Ideen und erkannte interessante Verbesserungsmöglichkeiten. Auch unter höchsten Anforderungen arbeitete sie konzentriert und erbrachte eine hervorragende Leistung. Frau XY war in hohem Masse verantwortungs- und pflichtbewusst und erwies sich als sehr vertrauenswürdig. Sie konnte sich sofort auf neue Situationen einstellen und reagierte unter belastenden Umständen ruhig und sicher.

 

Frau XY informierte umfassend über den eigenen Arbeitsbereich und bezog Vorgesetzte in schwierigen Situationen mit ein. Im Team lieferte sie wertvolle Beiträge und hatte einen ausgesprochen positiven Einfluss auf die Gruppe. Sie nutzte andere Meinungen und begründete Kritik zur persönlichen Entwicklung. Frau XY ging natürlich, freundlich und zuvorkommend auf andere zu, war ausgesprochen hilfsbereit und wurde daher von Vorgesetzten, Mitarbeitenden

und Kunden gleichermassen anerkannt und geschätzt.» 


Wenn ich so etwas lese, kommt es häufig vor, dass ich die Tischkante vollsabbere. Leider nicht, weil mir vor Begeisterung das Wasser im Mund zusammenläuft, sondern weil das nun mal passiert, wenn man bei aufgestütztem Kopf wegdöst.

 

Immer mehr Unternehmen arbeiten mit Zeugnistools, die solche (oder besser gesagt haargenau diese) Standardsätze hinterlegt haben. Sie versuchen, so ihren Aufwand zu minimieren, tun damit aber niemandem einen Gefallen und verstossen meiner Meinung nach sogar gegen die Grundsätze der Klarheit und Individualität. Ich rate ganz klar davon ab, die Weltgeschichte mit diesen Plattitüden zu belästigen.

 

So könntest du es klarer und individueller schreiben:


«Frau XY trat direkt nach Lehrabschluss in unsere Praxis ein. Mit sichtlicher Freude am Beruf vertiefte und festigte sie rasch ihr Fachwissen. In unserer lebhaften Praxis betreuen wir pro Woche durchschnittlich XY Notfälle. Unsere Medizinischen Praxisassistentinnen müssen daher durch gezielte Fragen rasch priorisieren und erste Hilfe leisten können, was Frau XY sehr schnell

lernte. Sie hat die Situation jeweils rasch erfasst und leitete ruhig die logischen nächsten Schritte ein. Das wirkte sich entspannend auf Patient/innen und Angehörige aus und erleichterte unseren vier Ärzten die Arbeit enorm.

 

Frau XY machte häufig Blutentnahmen - selbst bei schwierigen Venen musste sie kaum je ein zweites Mal stechen. Ihre Labor- und Röntgenergebnisse waren präzise und zuverlässig. Die Termine verwaltete Frau XY so, dass es trotz Notfällen selten Wartezeiten gab und die Praxis wirtschaftlich optimal ausgelastet war. Aus Eigeninteresse bildete sie sich nebenberuflich zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen weiter. Seit dem XY führte sie neben dem hektischen

Tagesgeschäft unsere Buchhaltung selbstständig. Unser Treuhänder erledigte seither nur noch den Abschluss, womit wir Kosten einsparen konnten.

 

Patient/innen und deren Angehörigen gab Frau XY sehr liebenswürdig und geduldig Auskünfte. Gleichzeitig verstand sie es aber auch, wenn nötig klare Prioritäten zu setzen und sich abzugrenzen. Ihre Wortwahl passte sie jeweils gekonnt an das Bildungsniveau und die individuelle Situation ihres Gegenübers an. Patient/innen und Angehörige schätzten ihre einfühlsame Art sehr. Auch bei Vorgesetzten und Mitarbeitenden war Frau XY dank ihrer humorvollen und hilfsbereiten Art

beliebt. Sie unterstützte ihre Teamkolleginnen unkompliziert mit Rat und Tat. Bei kurzfristigen Ausfällen sprang sie fast immer spontan ein.

 

Abweichenden Meinungen gegenüber war Frau XY tolerant, liess sich aber nicht so leicht aus dem Konzept bringen und prüfte Argumente sorgfältig nach, bevor sie entschied. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion war bei Frau XY äusserst ausgeprägt, wodurch es ihr leicht fiel, Kritik einzuordnen und zu verarbeiten. Sie schaffte es immer, auch ihrerseits Negatives direkt auf den Punkt zu bringen, ohne jemals verletzend zu sein.»

Was ist der Unterschied zum Standardtext?

Über welche MPA weisst du jetzt mehr? Der Standardtext könnte auch zu einer Kauffrau, einer Gärtnerin oder einer Ingenieurin passen. Der individuelle wirkt weniger übertrieben und sagt mehr aus, weil die Entwicklung der Mitarbeiterin und das Praxisumfeld beschrieben werden. Die Beurteilung wird somit in Relation gesetzt. Damit kann ein neuer Arbeitgeber etwas anfangen –

Arztpraxen sind nun mal nicht alle gleich. Sag, was der Mitarbeiter unternommen und erreicht hat, nenne Resultate und bring konkrete Beispiele. So musst du weniger Werturteile einflechten. Deine

Aussagen sind automatisch klar, ohne dass du Adjektive benutzen musst. Der Mitarbeiter erkennt sich wieder, du lässt weniger Interpretationsspielraum und hast weniger Diskussionen. Aus dem individuellen Text geht beispielsweise klar hervor, dass deine MPA eine gute Auffassungsgabe hat - du musst es nicht einmal erwähnen. Ein solches Zeugnis ist glaubhafter, wertschätzender und für alle viel hilfreicher.