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Lohn bei Krankheit mit Versicherung, Art. 324b, OR

Wenn du für deine Mitarbeiter eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hast (freiwillig oder weil ein GAV dies vorschreibt), leistet diese an deiner Stelle die Lohnfortzahlung für deine Mitarbeiter. Damit diese Lösung gültig ist, muss die Versicherung mindestens gleichwertig sein wie Art. 324a, OR vorschreibt. 

Welche Voraussetzungen gelten beim KTG als gleichwertig zum OR?

Du kannst eine KTG-Versicherung nach KVG oder VVG abschliessen. Gleichwertig ist deine KTG-Versicherung, wenn:

  • Der Mitarbeiter 80 % Lohn während mindestens 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen erhält
  • Maximal 3 Karenztage pro Krankheitsfall vereinbart werden (Karenztage = Krankheitstage ohne Lohnzahlung)
  • Du als Arbeitgeber mindestens 50 % der Prämien bezahlst

Sind diese Bedingungen kumulativ erfüllt, gilt Art. 324a, OR als eingehalten. Die gesetzliche Lohnfortzahlung schreibt bei Krankheit zwar 100 % Lohn vor - jedoch für eine viel kürzere Zeit. Daher gilt diese Lösung als gleichwertig (es kommt nicht auf den Einzelfall an, sondern auf das Gesamtpaket, denn die Höhe der Lohnfortzahlung wird für den Mitarbeiter ja gerade bei längeren Absenzen wichtig). 

 

Du kannst im Personalreglement also zum Beispiel vereinbaren, dass du erst ab dem 4. Krankheitstag Lohn zahlst und das auch «nur» zu 80 %. Ob das für dich und deinen Betrieb sinnvoll ist, kommt auf deine Firmenkultur und die Finanzen an. Karenztage und Lohnabzug bedeuten administrativen Aufwand und können zu Präsentismus führen (Mitarbeiter, die trotz Krankheit zur Arbeit kommen). Es könnte aber ein Weg sein, um Kurzabsenzen zu reduzieren.

 

Viele Mitarbeiter sind überrascht, bei Krankheit «nur» 80 % Lohn zu erhalten. Ich persönlich finde 80 % Lohn für null Arbeitsleistung ist doch recht viel. Ausserdem: sobald die Taggelder einsetzen, erhält der Mitarbeiter netto meist wieder fast 90 %, weil Taggelder nicht sozialabgabepflichtig sind.

Welche Freiheiten gelten bei der Lohnfortzahlung mit KTG-Versicherung?

Meistens wird mit der Versicherung eine Wartefrist von 30 oder 60 Tagen vereinbart. Je länger die Wartefrist, desto tiefer die Prämien, desto länger bleibst du aber als Arbeitgeber selber in der Lohnzahlungspflicht. 

Auswirkungen der KTG-Versicherung auf das Personalreglement und den Lohn

Die KTG-Versicherung ist ein Vertrag zugunsten Dritter. Dein Mitarbeiter hat also einen rechtlichen Anspruch auf Taggelder gegenüber der Versicherung (gemäss deren Bestimmungen) und nicht gegenüber dir. Damit dich selber keine längere Lohnfortzahlungspflicht trifft als erwartet, schreibe unbedingt ins Personalreglement, dass du «Lohnfortzahlung bis zum Einsetzen der Versicherungsleistungen, längstens aber bis zum Arbeitsvertragsende leistest, der Mitarbeiter danach Taggelder gemäss den anwendbaren Versicherungsbestimmungen erhält und du somit von der gesetzlichen Leistungspflicht befreit bist.»

 

Wenn du bei Krankheit freiwillig 100 % Lohn zahlst, schreibe ausserdem ins Personalreglement, dass bei Ausschüttung von Taggeldern ein Nettolohnausgleich gemacht wird. Da die Taggelder nicht sozialabgabepflichtig sind, verdient der kranke Mitarbeiter sonst netto mehr, als wenn er gesund wäre. 

Von wann bis wann und für wen gilt der Versicherungsschutz?

Der Versicherungsschutz gilt meistens für alle Mitarbeiter des Betriebs ab Arbeitsvertragsbeginn oder ab Stellenantritt (je nach Versicherung). 

Liegt eine Arbeitsunfähigkeit von weniger als 25 % vor, zahlt die KTG-Versicherung in der Regel nicht! Die meisten Versicherungen zahlen zudem nach dem 70. Geburtstag nichts mehr (also Vorsicht bei der Anstellung von Rentnern). Sind die Mitarbeiter nicht KTG-versichert, kommt Art. 324a, OR zum Zug (Lohn bei Krankheit ohne Versicherung) und du als Arbeitgeber musst die Lohnfortzahlung selber berappen. 

Was es bei der KTG-Versicherung sonst noch zu beachten gilt

Die Rückfallfrist beträgt in der Regel 12 Monate. Das heisst, wenn dein Mitarbeiter nach mehr als einem Jahr wieder wegen der gleichen Ursache krank wird, zählt dies in der Regel als neuer Fall und die Lohnfortzahlung beginnt von vorn. 

 

Übrigens bist du verpflichtet, deine Mitarbeiter (kranke und gesunde) bei ihrem Austritt aus dem Betrieb über die Möglichkeit des Übertritts in die Einzel-KTG-Versicherung aufmerksam zu machen. Am besten schriftlich, damit du dies beweisen kannst. Frag mich gerne nach einem Austrittsmerkblatt. 

Unterschiede zwischen einer KTG-Versicherung nach KVG oder VVG

Dies hier sind die gängigsten Unterschiede. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit im Einzelfall (relevant sind einzig die Bedingungen deiner betrieblichen KTG-Versicherung). Heute werden die meisten Versicherungen nach VVG abgeschlossen.

KVG

  • Leistung von 720 Tagen innerhalb von 900 Tagen
  • Versicherungsvorbehalte fallen nach 5 Jahren weg
  • Recht auf Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung bei Austritt aus dem Betrieb innert 3 Monaten

VVG

  • Leistung von 730 Tagen
  • Versicherungsvorbehalte können unbefristet bestehen bleiben
  • Meist automatische Weiterführung der Leistungen an den kranken Mitarbeiter aus dem Kollektiv-Vertrag (bitte prüfen und allenfalls sofort den Übertritt beantragen). Recht auf Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung auch für gesunde Mitarbeiter bei Austritt aus dem Betrieb. 

Fazit

Wenn deine KTG-Versicherung die gesetzlichen Minimalbedingungen erfüllt, bist du in der restlichen Ausgestaltung der Lohnfortzahlung bzw. der Ersatzlösung durch die Versicherung relativ frei. Wichtig ist, dass du das Ganze schriftlich und verständlich im Personalreglement festhältst (dazu gehört auch die Prämienaufteilung, weil dies nicht in den Versicherungsbestimmungen steht). Die Versicherungsbestimmungen bilden einen Vertragsbestandteil und müssen dem Mitarbeiter rechtzeitig ausgehändigt werden.