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Ferienkürzung (Art. 329b, OR)

Wann darfst du deinem Mitarbeiter die Ferien kürzen?

Art. 329b, OR unterscheidet nach Verschulden und Art der Abwesenheit. 

 

Art der Arbeitsverhinderung:

 

Zulässige Kürzung

Beispiel mit 3.5 Monaten Absenz:
Eigenes Verschulden Kürzung ab dem 1. Monat zulässig, aber nur, wenn die Abwesenheit insgesamt mehr als 1 Monat beträgt und nur für volle Monate. 

 3 Monate kürzen

 

Krankheit / Unfall / Militär / Zivilschutz / Zivildienst / gesetzliche Pflichten Kürzung ab dem 2. Monat zulässig, aber nur für volle Monate. 

2 Monate kürzen

Schwangerschaft Kürzung ab dem 3. Monat, aber nur für volle Monate. 

1 Monat kürzen

Mutter- / Vaterschaftsurlaub Keine Kürzung möglich bei Bezug von Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub nach 329 f und 329 g, OR. 

nichts kürzen

Unbezahlter Urlaub Kürzung ab dem 1. Tag, auch für angebrochene Monate. Es handelt sich hier nicht um eine Arbeitsverhinderung, sondern um eine freiwillige Auszeit.

3.5 Monate kürzen

Bitte beachte, dass Art. 329b, Absatz 1 dispositives Recht ist; das heisst, du darfst die Regelung vertraglich zuungunsten der Mitarbeiter abändern. Beispielsweise kannst du bei Eigenverschulden eine Kürzung ab dem 1. Fehltag vereinbaren. Die Absätze 2 und 3 sind relativ zwingend; das heisst, du darfst sie nur zugunsten der Mitarbeiter abändern. 

Wie viel beträgt die Ferienkürzung?

Nach Abzug der Schonfrist von ein bis zwei Monaten (je nach Absenzgrund) beträgt die Ferienkürzung pro voller Monat 1/12 des jährlichen Ferienanspruchs:

  • 1.67 Tage bei 4 Wochen (20 Tage geteilt durch 12) Monate)
  • 2.08 Tage bei 5 Wochen (25 Tage geteilt durch 12 Monate)
  • 2.5 Tage bei 6 Wochen (30 Tage geteilt durch 12 Monate)

Beispiel 3.5 Monate Absenz wegen Schwangerschaft bei 5 Wochen Ferienanspruch:

25 Tage : 12 x (3.5 - 2 Monate) = Kürzung von 2.08 Tagen (in der Praxis rundest du das vermutlich auf 2 Tage ab). 

 

Wie berechnest du die Ferienkürzung?

 

Es gibt zwei Methoden: Die Kalendertag-Methode und die Arbeitstag-Methode. Was ist der Unterschied?  

 

Die Kalendertag-Methode

Die Kalendertag-Methode beinhaltet zwei Fixgrössen:

 

a. Ein Monat Schonfrist = 30 Kalendertage.

b. Ein voller Monat = 30 Kalendertage.

 

Bei dieser Methode zählst du die effektiven Absenztage des Mitarbeiters in Kalendertagen. Davon ziehst du 30 Tage Schonfrist ab (bei Schwangerschaft 60 Tage). Für alle weiteren 30 Tage ziehst du 1/12 des Ferienguthabens ab. 

 

Ein Beispiel: Der Mitarbeiter ist vom 01.06.2025 bis 31.07.2025 zu 100 % arbeitsunfähig. Er fehlt somit 30 Tage im Juni und 31 Tage im Juli = 61 Tage. 30 Tage sind Schonfrist. Bleiben 31 Tage, also ein voller Monat + 1 Tag. Daher beträgt die Kürzung 1/12. 

 

 

Die Arbeitstag-Methode

Auch hier gibt es Fixwerte, mit denen du arbeitest: 

 

a. Ein Monat Schonfrist = 21.75 Arbeitstage.

b. Ein voller Monat = 21.75 Arbeitstage.

 

Warum 21.75? Dies entspricht der durchschnittlichen Anzahl Arbeitstage pro Monat (365 Kalendertage - 52 Wochenenden : 12 Monate). Ich empfehle ich dir jedoch, mit Stunden zu arbeiten und nicht mit Tagen. Wieso, erfährst du gleich.

 

Zuerst zur Umrechnung in Stunden. Gehen wir von einem 100 % Pensum mit 40-h-Woche bzw. 8 h pro Tag aus. Somit erhalten wir:

 

a. Ein Monat Schonfrist = 174 h (21.75 x 8 h).

b. Ein voller Monat = 174 h (21.75 x 8 h).

 

Dasselbe Beispiel: Der Mitarbeiter ist vom 01.06.2025 bis 31.07.2025 zu 100 % arbeitsunfähig. Das Zeiterfassungssystem weist 20 Fehltage im Juni aus und 23 Fehltage im Juli. Halt? Wieso nur 20 Fehltage im Juni? Dieser Monat hatte doch 21 Arbeitstage! Nicht im Kanton Bern, da war der 9. Juni 2025 ein bezahlter Feiertag. Feiertage haben im Zeiterfassungssystem keine Sollzeit hinterlegt und somit werden auch keine Fehlstunden ausgewiesen.

 

Wir haben also über die zwei Monate hinweg insgesamt 43 Fehltage. 43 geteilt durch 21.75 = 1.97 Monate. Der erste Monat ist die Schonfrist. Der zweite Monat ist nicht voll (0.97). Daher kannst du mit dieser Methode (vorerst) nichts kürzen. Dazu später mehr. 

 

Nun kommen wir zuerst noch zu der Frage, warum du mit Fehlstunden arbeiten solltest und nicht mit Tagen. 

 

Wie berechnet man die Ferienkürzung bei Teilzeit-Mitarbeitern?

Für Teilzeit-Mitarbeiter gibt es zwei verschiedene Zeiterfassungs-Systeme: Das lineare und das fixe System. Bei der Kalendertag-Methode beträgt die Schonfrist immer 30 Tage. Bei der Arbeitstag-Methode sind aber 21.75 lineare Teilzeittage und 21.75 fixe Teilzeittage als Schonfrist nicht unbedingt gleich viel. Daher rechnest du die Tage besser nach der linearen Methode in Stunden um (das Verhältnis muss proportional zu einem Vollzeitpensum sein). 

 

Nehmen wir wieder unser Beispiel mit 100 % Absenz vom 01.06.2025 bis 31.07.2025, bei einer 40-h-Woche, aber einem 60-%-Pensum. Dann sieht die Rechnung so aus: 8 h : 100 x 60 = 4.8 h pro Tag bei 60 % (ob diese Stunden tatsächlich linear oder fix verteilt sind, ist egal). 

 

a. Ein Monat Schonfrist = 104.4 h (21.75 x 4.8 h)

b. Ein voller Monat = 104.4 h ( 21.75 x 4.8)

 

Jetzt ziehst du wieder die Fehlstunden aus dem System und schaust, wie oft 104.4 h in deinem Total Platz haben. Wenn der Wert mindestens 2.0 ergibt, kannst du die Ferien um 1/12 kürzen (sofern die Schonfrist nur einen und nicht zwei Monate beträgt). 

 

Je nachdem, ob die Teilzeitstunden deines Mitarbeiters fix oder linear verteilt sind, kann es sein, dass du mehr oder weniger Fehlzeitstunden erhältst. Aber dann ist es doch nichts als fair, wenn die Ferienkürzung sich proportional dazu verhält. 

 

Wann soll die Ferienkürzung erfolgen?

Ich empfehle dir, mehrmals pro Jahr zu überprüfen, ob Ferienkürzungen möglich sind. Bei selbstverschuldeten Absenzen machst du das sofort.

 

Bei unverschuldeten Absenzen machst du es zum ersten Mal dann, wenn eine Absenz mindestens zwei Kalendermonate gedauert hat. Von da an überprüfst du jeden Monat, ob du eine Kürzung vornehmen musst. Das ist für dich und den Mitarbeiter angenehmer, weil die Kürzung so schrittweise gemacht wird und der Feriensaldo monatlich auf dem aktuellen Stand ist. 

 

Spätestens Ende Jahr ziehst du dann bei allen Mitarbeitern die nicht selbstverschuldeten Fehlstunden aus dem System bzw. zählst die Kalendertage mit Absenz. Für die Kürzung kannst du sämtliche Absenzen zusammenzählen: Krankheit, Unfall, Militär, Zivilschutz, Zivildienst, gesetzliche Pflichten und Schwangerschaft. Dabei stellst du dir folgende Fragen:

 

1. Sind das insgesamt mehr als 2 Monate Absenz? Wenn ja: Weiter mit b. Wenn nein: Du kannst nichts kürzen. 

 

2. Ist unter den Absenzen eine Schwangerschaft? Wenn ja: Kürzung um 1/12 pro voller Monat abzüglich zwei Monate Schonfrist. Wenn nein: Kürzung um 1/12 pro voller Monat abzüglich ein Monat Schonfrist. 

 

Auf welche Methode sollst du bei der Ferienkürzung setzen: Kalendertage oder Arbeitstage?

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung stützt sich auf die Kalendertag-Methode. Sie erscheint auf den ersten Blick einfacher und logischer, weil es bei der Ferienkürzung meistens um lange Absenzen am Stück geht. Der Nachteil dabei ist, dass du Kalendertage zählen musst. Wenn es sich bei der Absenz auch noch um eine teilweise Arbeitsunfähigkeit handelt, wird die Rechnerei schnell mühsam. Es kann sein, dass du Ende Jahr Kürzungen vergisst, bei Mitarbeitern, die zwar nie länger als ein paar Wochen am Stück, dafür aber öfter pro Jahr gefehlt haben. Und wenn dir Ende Jahr beispielsweise zwei Tage für die Kürzung fehlen, musst du die Arztzeugnisse hervorkramen und schauen, ob der Mitarbeiter am Wochenende vor seinem Wiedereintritt auch noch krankgeschrieben war oder nicht.  

 

Als Praktiker befürworte ich die Arbeitstag-Methode. Auf den ersten Blick erscheint sie komplizierter, aber wenn du mit einem Zeiterfassungssystem arbeitest, kannst du damit viel schneller berechnen, ob du eine Kürzung machen sollst. Es ist keine Zähl-, sondern eine Rechenmethode, die somit sehr genau ist. Sie ist in der Anwendung letzten Endes viel einfacher, weil die Mitarbeiter ja selten ganze Monate fehlen und meistens nach einer längeren Absenz auch nur schrittweise wieder einsteigen (teilweise Arbeitsunfähigkeit). Da die Feiertage bei dieser Methode nicht als Fehltage gelten, ist sie mitarbeiterfreundlicher. Und wenn der Mitarbeiter trotz Arbeitsunfähigkeit Ferien bezieht (was durchaus sein kann und sein darf), dann bezieht diese Methode das ebenfalls automatisch mit ein. Allerdings funktioniert sie bei 50 % Leistung in 100 % Zeit nicht, weil dann im System keine Fehlstunden ausgewiesen werden. 

 

Für welche Methode du dich auch entscheidest: Mach es immer gleich, das ist die wichtigste Regel. Nicht einmal diese und nächstes Mal jene Methode anwenden. Entscheide dich und dann zieh es durch. 


Häufige Fragen zur Ferienkürzung

Gilt für jeden Absenzgrund eine neue Schonfrist?

Nein. Ende Jahr darfst du alle Absenzen zusammenzählen. Volle Monate, die über die Schonfrist hinausragen, darfst du kürzen. Bei verschiedenen Absenzen gilt die längere Schonfrist. Fällt die Mitarbeiterin zuerst wegen Krankheit und später wegen Schwangerschaft aus, zählt die Schonfrist wegen Schwangerschaft als Schonfrist (also zwei Monate). 

Gilt für die Berechnung das Kalenderjahr oder das Dienstjahr?

Das Gesetz stellt ausdrücklich auf das Dienstjahr ab, jedoch darfst du - wenn du dies mittels Personalreglement oder Arbeitsvertrag vereinbarst - auf das Kalenderjahr abstellen. Das lege ich dir ans Herz, denn so hast du für alle Mitarbeiter das gleiche Datum, an dem du dich orientieren musst und du kannst alle Ferienkürzungen in einem Aufwisch erledigen (verpasst du das nämlich, darf der Mitarbeiter davon ausgehen, dass du auf dein Kürzungsrecht verzichtest). 

Neues Jahr, neue Schonfrist?

Genau. Egal, ob du auf das Dienstjahr oder das Kalenderjahr abstellst: Bei Dienstjahr- bzw.  Kalenderjahrwechsel erhält der Mitarbeiter eine neue Schonfrist, auch wenn es sich immer noch um dieselbe Absenz handelt.

Was gilt bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit?

Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit dauert es länger, bis die Schonfrist abgelaufen und ein Monat voll ist:

 

Kalendertag-Methode: War dein Mitarbeiter wegen Krankheit insgesamt 4 Monate lang zu 50 % arbeitsunfähig, läuft nach 2 Monaten Absenz die Schonfrist von 1 Monat ab. Nach weiteren 2 Monaten Absenz kannst du seine Ferien um 1/12 kürzen. Oder anders ausgedrückt: 122 Kalendertage Absenz in 4 Monaten à 50 % ergeben 61 Kalendertage à 100 %. Somit kannst du um 1/12 kürzen.

 

Arbeitstag-Methode: Da du die Fehlstunden direkt aus dem Zeiterfassungssystem ziehst, musst du nur darauf achten, ob die Schwelle der Fehlstunden für die Kürzung gemäss Pensum erreicht ist. 

Wann gilt ein Monat als voll?

Kalendertag-Methode: Bei 30 Kalendertagen Absenz.

Arbeitstag-Methode: Bei 21.75 Arbeitstagen Absenz. 

Spezialfall 50 % Leistung in 100 % Zeit

Wenn dein Mitarbeiter 50 % krankgeschrieben ist und zwar so, dass er in 100 % seiner Präsenzzeit nur 50 % Leistung erbringt, kannst du seine Fehlstunden nicht aus dem System ziehen (denn er hat ja keine). Hier stellt sich die Frage, ob er anders behandelt werden sollte als ein Kollege, der nur halbtags arbeiten darf, aber in dieser Zeit die volle Leistung erbringt. Meines Wissens hat noch kein Gericht diese Frage geklärt.

 

Nach meiner Logik gibt es keinen sachlichen Grund, die beiden Mitarbeiter rechtlich anders zu behandeln. Beide erbringen nur 50 % Leistung und erhalten für die anderen 50 % Lohnfortzahlung. Sie geniessen beide denselben Kündigungsschutz und sollten daher auch die gleiche Ferienkürzung haben. In diesem Fall musst du dich also an die Kalendertag-Methode halten.